Seine Füße wachsen nicht mehr. Sehr zu seinem Leidwesen. Doch das ist eine andere Geschichte…
Mithin hindert das den Singer-Songwriter Dirk Michaelis (51) nicht, musikalisch in weitaus größere Schuhe zu steigen. Als er vor nunmehr gut zwei Jahren Songs von Sting, Paul McCartney, Snow Patrol oder Cyndi Lauper seine einfühlsame Stimme gab und diese auf der CD „Dirk Michaelis singt… – Welthits auf deutsch“ seinem Publikum präsentierte, war das ein Wagnis, ein Experiment. Aber auch die Möglichkeit, nach dem Krebstod seines Freundes und langjährigen musikalischen Mitstreiters Thomas Maser aus einem tiefen seelischen und künstlerischen Loch zu steigen. „Mit eigenen Songs hätte ich diese Situation nie bewältigen können“, ist sich Dirk Michaelis heute sicher.
Das Ergebnis seiner musikalischen Grenzüberschreitung ist bekannt. Die CD wurde aus dem Stand das erfolgreichste Soloalbum des Berliner Multi-Instrumentalisten, rangierte über Wochen gut platziert in den Charts. Die Fachpresse war des Lobes voll – über die neue Interpretation der Welthits, die gefühlvollen Texte, die wandelbare und doch stets erkennbare Stimme von Dirk Michaelis. Und die Fangemeinde feierte den Sänger und seine sechsköpfige Band bei jedem Auftritt der über zwei Jahre andauernden Tour.
„Das tat einfach unendlich gut“, bekennt der Sänger. Einen vergleichbaren Hype konnte er bisher nur mit seinem, von ihm als 12-jährigen komponierten, Song „Als ich fortging“ erzielen, der 1987 produziert und sein „Yesterday“ wurde. Für den einen ist dieser Titel das schönste Liebeslied der DDR, für den anderen die Wendehymne schlichtweg und vielfach gecovert.
Was also lag näher, als eine zweite Auflage der Welthits auf Deutsch folgen zu lassen? Berufskollegen, Freunde sparten nicht mit Vorschlägen. Vor allem aber die Fans forderten neue Songs. So fanden Tanita Tikaram’s „Twist In My Sobriety“ („Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein“) und Richard Marx´ „Right Here Waiting“ („Für immer und gleich“) in neuer Interpretation den Weg auf das neue Album. Dirk Michaelis: „So ist quasi die erste frei gewählte CD der Welt entstanden, ein Wünsch-Dir-was-Album. Gern hätten die Fans auch noch einen Song von Sting auf der CD gehabt, doch wir wollten uns diesbezüglich nicht wiederholen. So bleibt es halt bei „Field Of Gold“.“
Gisela Steineckert und Michael Sellin schufen wieder berührende, lyrische Texte zu Melodien von U2, R.E.M., Tracy Chapman, Dire Straits und anderen Weltstars. In den Berliner Valicon-Studios zeigte Produzent Ingo Politz einmal mehr sein musikalisches Einfühlungsvermögen, von dem schon Udo Lindenberg, Silbermond oder Silly profitierten – und nun auch in der zweiten Auflage die Welthits von Dirk Michaelis.
Das Ergebnis ist ein Konzeptalbum, das den bekannten Originalen eine neue, spannende Ebene hinzufügt und jede Menge kleine wie große Überraschungen parat hält. Persönlicher, emotionaler, rockiger als die Erstauflage, oftmals auch weniger opulent instrumentalisiert, auf das Wesentliche reduziert. Das signalisiert schon das Cover: Ganz in schwarz-weiß gehalten, eher unromantisch. „Ich bin nicht nur der sanfte Sänger, der das Meer, die Stille, die Wale, die Freiheit und die Ferne liebt“, so Dirk Michaelis. „Ich bin auch ein Rocker. Da liegen ja meine Wurzeln.“ Viele Songs klingen dabei melancholisch. Nebel, Verlust, Sterne und Engel bestimmen die Szenerie. „Wir Deutschen haben ja etwas den Hang zur Melancholie – und die Songauswahl drängt zudem in diese Richtung. Große Themen wie Liebe, Trennung, Abschied tragen nun mal dieses Gefühl in sich. Aber Engel können auch sehr froh stimmen“, so Dirk Michaelis.
Die Reduktion auf das Wesentliche ist am deutlichsten beim Song „Waffenbrüder“ zu hören. Dem Team Michaelis / Politz ist mit der Interpretation des Dire Straits Hits „Brothers In Arms“ ein Meisterstück gelungen. So wie Mark Knopfler und seine Band 1988 beim legendären „A Tribute To Nelson Mandela“-Konzert Hunderttausende im Londoner Wembley Stadion begeisterten und Gänsehautfeeling schufen, so schafft dies „Waffenbrüder“ auf ganz andere Art. Eine großartige Überraschung.
Um bei den großen Schuhen zu bleiben: Es gibt nur wenige, die größer als die von U2 und Bono sind. In denen aber fühlt sich Michaelis mit „Eins“ („One“) sichtlich wohl: Seidig, samtig in der Stimme, weniger rockig als Bono und doch mit Hit-Potenzial. Gleiches, nur unter anderen Vorzeichen, gilt für „Jeder wird verletzt“. Während sich R.E.M.-Sänger Michael Stipe bei „Everybody Hurts“ vom 18-millionenfach verkauften Album „Automatic For The People“ in unsere Ohren schmeichelt, zeigt sich Dirk Michaelis hier mit seiner raffiniert arrangierten Interpretation des Songs ganz als Rocker.
Diese Vielfalt und Offenheit für unterschiedliche und auch hochaktuelle, neue Stilrichtungen ist eine der Stärken von Dirk Michaelis, der dabei doch immer er selbst bleibt. Von Tracy Chapman’s „Baby Can I Hold You Tonight“ („Gib mir Zeit“) über sein „Ich vermiss dich“ nach „Missin“ von Everything But The Girl bis zu seiner Variante von Tom Odell’s „Another Love“ („An einem Ideal“): Wo Michaelis drauf steht, ist Michaelis drin. Eben Welthits made by Dirk Michaelis.
„Gottes Kinder brauchen Wanderschuh“, heißt es im Song „Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Die trägt Dirk Michaelis in seinem neuen Album, weil sie frei nach Nancy Sinatra zum Wandern durch die (Musik-)Welt gemacht sind. Auch wenn diese Schuhe groß sind, er füllt sie aus und geht seinen Weg. „My Way“ – in den noch größeren Schuhen des großen Frank Sinatra. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte. Vielleicht für Welthits Nr. 3.