Ein Akkordeon wird häufig mit volkstümlicher Musik assoziiert. Das ist auch keineswegs von der Hand zu weisen, greift aber viel zu kurz, wie Martynas Levickis derzeit unter Beweis stellt. Er ist 23 Jahre alt und hat sich ganz bewusst Klassik, Pop und Folk gleichermaßen verschrieben.
Von seinem virtuosen Spiel und seiner unverbraucht-sympathischen Ausstrahlungskraft überzeugt, nahm das Traditionslabel Decca Classics (London) den jungen Künstler kürzlich unter Vertrag und bringt jetzt international dessen selbstbetiteltes Crossover-Debütalbum („Martynas“) heraus. Produziert wurde es von John Haywood, der seit 2005 höchst erfolgreich auch mit David Garrett zusammenarbeitet.
„Ja, ich habe mir vorgenommen, das Image des Akkordeons neu zu definieren und versuche zu zeigen, dass man dieses Instrument ausgesprochen vielseitig einsetzen kann“, sagt Martynas. „Zu Hause in Litauen glauben die Leute, das Akkordeon sei ein reines Folklore-Instrument, doch das ist eben nicht ganz richtig, und ich möchte das ändern, es populärer machen.“
Die Titelauswahl der CD ist entsprechend breit gefächert. „Alle Arrangements sind ganz neu, die Stücke wurden noch nie so gespielt“, ist sich der in London lebende Balte sicher. „Da ist zum Beispiel Mozarts ‚Türkischer Marsch’. Der ist nicht gerade unbekannt, viele Leute haben ihn sogar als Klingelton auf ihrem Handy und kennen die Melodie in- und auswendig, doch bei uns klingt das Stück nicht mehr viel nach Mozart, was ich großartig finde. Es ist für mich aufregend, mit alt hergebrachten Regeln zu brechen.“
Gleiches gilt für Lady Gagas Hit „Telephone“: Die Essenz des Originals ist geblieben, dennoch bei der Bearbeitung fürs Akkordeon ein ganz andersartiger Sound entstanden. Ennio Morricones Titelmelodien für die Filmklassiker „La Califfa“ (1970, mit Romy Schneider) und „Cinema Paradiso (1988) strahlen in Martynas’ spezieller Interpretation ebenfalls in ganz neuem Licht, und einen Tango hat unser Akkordeonist ebenfalls auf das Album genommen: Dabei ist es ihm zusammen mit dem Stargeiger David Garrett gelungen, „Por una cabeza“ jede Menge Grandezza und Temperament einzuhauchen. Ludwig van Beethovens „Trauermarsch“ aus der 7. Symphonie wiederum hört sich bei ihm „gar nicht mehr traurig oder nach Beerdigung“, sondern vielmehr „erhebend“ an, wie der 23-Jährige befindet.
Ein vielseitiges Programm. Martynas macht, was ihm gefällt – und das mit viel Verve. Er unterscheidet nicht zwischen E- und U. Der Spaß treibt ihn an. „Die Welt der Musik ist eben bunt“, sagt er.